Joanna Drynda (Poznań)
Einmal DDR und zurück: Eugen Ruges Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ als eine nachträgliche Auseinandersetzung mit den Begebenheiten des realexistierenden Sozialismus
Genau 25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ist das in den Nach-Wende-Romanen gespeicherte Abbild der Deutschen Demokratischen Republik vielfältig und keinesfalls in sich geschlossen. Dadurch ermöglicht es – dank seiner Fülle und Multiperspektivität der Darstellung - einen unvoreingenommen Einblick in die wahre Flut von niedergeschriebenen Erfahrungen und Eindrücken. Eugen Ruges autobiographisch angehauchtes, spätkommunistisches Familienepos „In Zeiten der abnehmenden Lichts“, für das sein Autor 2009 mit dem Alfred-Döblin-Preis ausgezeichnet worden ist, fällt keine eindeutigen Urteile, gestattet auch keine voreiligen Schlüsse. Statt Eindeutigkeit der Verbitterung und des Freudentaumels über das endlich untergegangene totalitäre Unrechtsregime aber auch an der Stelle der allzu oft in so manchem Buch spiegelbildlich dazu bestehenden, regressiven Ostalgie und Sehnsucht nach dem verloren geglaubten Arkadien des Fortschritts bietet es Ambivalenz und Abstand, Gelassenheit und Umsicht. Ruge thematisiert dabei vordergründig die gesellschaftliche Entwicklung der DDR im privaten Kleinformat von vier Generationen, direkt aus der Perspektive familieninterner Ereignisse und als eine unmittelbare Folge von jahrelanger Aneinanderreihung der tagtäglich greifbaren und erfahrbaren Erscheinungsformen der DDR-Wirklichkeit. Gleichzeitig erfolgt alles parallel zu großen, geschichtlichen Veränderungen. Am Ende, nachdem die lebensferne Ideologie vom Lauf der Ereignisse regelrecht überrannt worden ist und sich das Versprechen einer lichten, deutsch-demokratischen Zukunft als eine phrasenhafte Sackgasse entpuppt hat, sieht man sich mit einer nicht mehr bezwingbaren Überindividualisierung der einzelnen Protagonisten konfrontiert. In der neuen Situation des wiedervereinten Gesamtdeutschlands lässt dieses Neben- statt Miteinander allerdings jedweden, auch noch so brüchigen Zusammenhalt vermissen.