Karoly Kokai (Wien)
Die Rückkehr aus dem Exil
Die Wende 1989 bedeutete für die im Exil lebenden ungarischen Literaten und für ihr Werk die Rückkehr in die Heimat. Das legt der Ausdruck "Exil" nahe. Die Autoren sind vor den Repressalien des über vier Jahrzehnte dominanten sozialistischen Systems geflohen. Die Werke konnten im Land ihrer Sprache nicht erscheinen. 1989 fiel der Grund des Exils weg.
Betrachtet man die Rückkehr aus dem Exil etwas genauer, erscheint eine große Vielfalt. László Cs. Szabó und Sándor Márai konnten 1989 nicht zurückkehren, weil sie kurz vor der Wende verstorben sind. Einige Autoren (so Pál Nagy, der seit Anfang der 1970er Jahre offizielle Einladungen akzeptierte oder György Faludy, der 1988 nach Ungarn übersiedelte) kehrten bereits vor 1989 zurück, zumindest für kurze Besuche bzw. indem sie ihre Kompromisse mit dem staatssozialistischen System machten. Győző Határ besuchte 1989 Ungarn, lebte aber bis zu seinem Tod 2006 in England. Albert Wass und József Nyírő kehrten ebenfalls nicht aus dem Exil zurück, weil sie mehrere Jahrzehnte früher gestorben sind bzw. weil sie jeden realen Kontakt mit dem Land verloren haben. Was hingegen sehr wohl zurückkehrte, war das Werk dieser beiden - zwar nicht in Hinsicht auf die literaturwissenschaftliche Einschätzung, sehr wohl aber in Hinsicht auf die Verkaufszahlen und Popularität. Aus dem inneren Exil kehrte Imre Kertész ebenfalls erst zögerlich zurück, wie das sein Galeerentagebuch von 1992 bezeugt, um seinen Lebensmittelpunkt nach Deutschland zu verlegen, was durchaus als eine neue Form des Exils angesehen werden kann. György Sebestyén kam zwar ebenfalls zu Besuch, hatte aber zwischenzeitig bereits seine Sprache gewechselt, war Präsident des österreichischen PEN-Clubs und betrachtete sich als österreichischen Schriftsteller.
Diese Vielfalt ist beim genauen Hinsehen also so groß, es häufen sich die Ausnahmen in so einer großen Anzahl, dass die Norm - also die Rückkehr von Autor und Werk im Jahr 1989 - darin unterzugehen droht.
Der Vortrag stellt die Frage, was 1989 die Rückkehr aus dem Exil bedeutete.