Hans-Christian Trepte (Leipzig)

Zwischen Gehen und Bleiben. Bemerkungen zur friedlichen Revolution in der DDR (1989) aus (ost)deutscher und polnischer literarischer Sicht

Nein, es war keine „Wende“ wie sie sich die SED-Führung unter Egon Krenz 1989 zur Rettung des kommunistischen Systems im Unrechtsstaat DDR vorgestellt hatte, und es war auch kein „heiliger Geist“, der plötzlich „über die Plätze in Leipzig gekommen“ war (Helmut Kohl). Es war vielmehr eine friedliche Bürgerrevolution, die in ihrem absolut unblutigen Verlauf einem „Wunder biblischen Ausmaßes“ (Christian Führer) gleichkam. Das kommunistische Regime war „auf alles vorbereitet, nur nicht auf Kerzen und Gebete“ (Erich Loest). Die den aufrechten Gang probierenden DDR-Bürger unterschiedlicher sozialer Herkunft, die enorme Kraft der Massen spürend, forderten mit ihrem Ruf: „Wir sind das Volk!“ auf den Straßen von Leipzig immer selbstbewusster Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte. Die gewaltfreie Revolution führte zur Überwindung der Angst, zum Sturz der DDR-Gerontokratie, zum Fall der Berliner Mauer, zur deutschen Wiedervereinigung, zur europäischen Integration von Ost und West. Sie veränderte nachhaltig die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, weit über die Grenzen Mitteleuropas reichend, bis hin nach Georgien und dem Euro-Maidan von Kiew. Die Zäsur des Jahres 1989 in der DDR muss aber auch im Kontext der polnisch-(ost)deutschen Beziehungen, vor allem zwischen den oppositionellen Gruppierungen und Organisationen, gesehen werden: „Zaczęło się w Gdańsku“! In Deutschland ist, vor allem im Umfeld des 25. Jahrestages der denkwürdigen Massendemonstration vom 9. Oktober 1989 in Leipzig, eine beeindruckende Zahl von zwischen dokumentarischer Wahrheit und künstlerisch-literarischer Fiktion stehender Publikationen entstanden. Die überschaubaren polnischen literarischen Werke zu diesem Thema sind dagegen, vor allem wegen fehlender Übersetzungen, bis heute dem deutschsprachigen Leser weitgehend vorenthalten geblieben. So müssen u.a. Henryk Sekulskis Roman Przebitka oder Brygida Helbigs Erzählung enerdowce i inne ludzie mit ihren Beobachtungen, Darstellungen und Wertungen, getroffen aus einer anderen Perspektive und unter Berücksichtigung spezifisch polnischen Erfahrungen des antikommunistischen Widerstandes, als unverzichtbare Bestandteil in den Diskussionen über das Jahr 1989 im deutschen und ostmitteleuropäischen Kontext angesehen werden. Ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der Beziehungen von Oppositionellen in der DDR und Polen leistete auch die Konferenz „25 Jahre freie Wahlen in Polen und die friedliche Revolution in der DDR“ vom 07.-08. 04. 2014 in Leipzig. 

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